In unserer Feelgood-Podcastfolge bereits angekündigt, nun in die Tat umgesetzt! Das weithin unbekannte Adventure „Zanzarah: The Hidden Portal“ hat mehr Aufmerksamkeit verdient! Jessica legt den abenteuerlichen Mix aus Adventure, Ego-Shooter und Pokémon-Ableger unter die psychotherapeutische Lupe und stellt eine tiefenpsychologische Deutung des Games vor. Die hier dargestellte Betrachtungsweise bzw. Deutung ist zwar exemplarisch an Zanzarah dargestellt, lässt sich aber auf sehr viele Games übertragen, die in irgendeiner Form Heldengeschichten erzählen.
Titelbild: Funatics Software / Daedalic Entertainment [Zanzarah: The Hidden Portal]
So kann man Zanzarah als Geschichte verstehen, wie ein Mensch den Zugang zum eigenen Unbewussten mit all seinen kreativen Energien (wieder)findet. Durch das Wandeln durch die vielfältige innere Landschaft und die Auseinandersetzung mit „dunklen“ Anteilen der Persönlichkeit gelingt die Entwicklung zu einem „vollständigeren“ Menschen.
In einer Literaturarbeit im Rahmen ihrer Psychotherapie-Ausbildung am C.G. Jung-Institut beleuchtet Jessica die Story und die Symbolik des Spiels und führt das Ganze zu einer psychotherapeutischen Gesamtdeutung. Der Text verhandelt tiefenpsychologische / psychoanalytische Konzepte, ist aber so geschrieben, dass ihn auch Laien verstehen können.
Hier könnt ihr die gesamte tiefenpsychologische Deutung des Games herunterladen:
Falls ihr lieber hört statt lest, ist Jessicas Gespräch mit Tobi von LastLife über die psychotherapeutische Dimension des Games die richtige Anlaufstelle!
Als kleinen Appetizer gibt’s die Einleitung gleich hier:
Zu Beginn stellt sich vielleicht die Frage, warum ein Videospiel im Zentrum einer Literaturarbeit steht. Oft werden Videospiele mit zweckfreiem und sinnlosem Zeitvertreib assoziiert, der doch nur relativ schwer in Verbindung mit einer psychotherapeutischen Thematik gebracht werden kann. Freilich werden Videospiele auch oft im Sinne eines Eskapismus genutzt. Dennoch üben sie meines Erachtens nicht nur deswegen auf viele Menschen eine Faszination aus: Meiner persönlichen Spielerfahrung nach und nach dem, was ich im psychotherapeutischen Gespräch mit Patienten erarbeite, sind in sehr vielen -wenn nicht allen- Spielen Geschichten oder zumindest Thematiken enthalten, die mit der Person, die sie spielt, und einer potenziellen Persönlichkeitsentwicklung verknüpft sind.
Einige Spiele, insbesondere die aus dem Fantasy-Bereich, erlebe ich dabei ähnlich wie Märchen: Meist wird die Geschichte einer Person erzählt, die sich durch allerlei Gefahren und Herausforderungen einen Weg ins Leben bahnen muss und die in einer Welt lebt, die nicht auf allen Ebenen unserer Realität zu entsprechen scheint. Märchen sprechen durch ihre Symbolik und ihre archetypischen Bilder zu uns und regen in uns Schichten an, die wir mit dem Verstand häufig nicht erreichen können. Eugen Drewermann schreibt über Märchen: „Ihre Sprache ist die Sprache der Träume, ihre Symbolik fußt in der archetypischen Bilderwelt des Unbewußten, und so bedarf es einer Art kindlichen Nachträumens, einer neuen Unmittelbarkeit der Einfühlung und des Erlebens, um als Erwachsener die Märchen zu verstehen“ [1]. Jungianisch gesprochen schöpfen Märchen also aus dem Schatz des kollektiven Unbewussten und bringen Tiefenebenen in uns zum Schwingen, die uns auf unserem persönlichen Individuationsweg begleiten können. Märchen beschreiben und deuten „menschliches Schicksal nach dem Vorbild der großen Gegensätze und Bewegungen der äußeren Natur“ [2].
Ziel der Arbeit
Die vorliegende Arbeit soll exemplarisch anhand des Computerspiels „Zanzarah“ aufzeigen, dass auch Computerspiele „märchenhafte“ Geschichten erzählen, die wir genauso wie ein geschriebenes Märchen psychotherapeutisch verstehen und Entwicklungsprozesse nachvollziehen können. Denn auch Zanzarah spricht, um nochmals Drewermann über Märchen zu zitieren, „von Gegensätzen und Konflikten der menschlichen Psyche. Sie beschreiben in zeitlosen Bildern den mühsamen Weg, den es kostet, von einem Kind zu einem Erwachsenen zu werden; sie schildern die Belastungen und Schwierigkeiten, die jemand aus den Eindrücken seiner Kindheit ins Leben mitnimmt und in irgendeiner Weise überwinden muß; sie zeigen, wie das Ich eines Erwachsenen sich aus seiner seelischen Einseitigkeit und Starre lösen und zu sich selbst hinfinden kann; und in all dem vermitteln sie den Mut, trotz aller Angst und Schuldgefühle an die Berechtigung des eigenen Lebens zu glauben und bedingungslos der Wahrheit des eigenen Herzens zu folgen. So sind die Märchen in sich selbst Wegweiser und Richtmarker des Unbewußten; sie sind daher ein bevorzugter Gegenstand auch tiefenpsychologischer Interpretationsverfahren“ [3].
1 Drewermann, E. (1992). Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. dtv-Verlag, München. (Vorwort)
2 ebd.
3 ebd.