Auf Behind the Screens möchten wir eine psychologische Perspektive auf Spiele einnehmen. Mit einem Studium in Psychologie und Interesse an Games erschien mir das nur logisch. Seitdem unsere erste Podcast-Episode erschienen ist, wurde ich allerdings mehrfach gefragt, was eine psychologische Perspektive auf Spiele eigentlich ist. Eine berechtigte Frage.
Mit Behind the Screens bringen wir unsere großen Leidenschaften zusammen und betrachten Videospiele aus der Perspektive der Psychologie.
– Über uns
Es ist beispielsweise eine psychologische Erkenntnis, dass jeder von uns einen schrecklich schlechten Einblick in die eigene Funktionsweise hat. Der Witz ist geradezu, dass man gar nicht mitbekommt, welche erstaunlichen Leistungen unser Gehirn erbringt, während es arbeitet. Während ich diesen Satz schreibe, muss ich weder jedes Wort einzeln denken, noch meinen Fingern die Bewegungsabfolge auf der Tastatur diktieren. It just works. Okay, ich habe dabei verschwiegen, dass ich Schreiben zuvor mühsam gelernt habe, doch eines gilt: Vieles von dem, was wir tun, gelingt ohne Zutat des Bewusstseins. Vor allem die Dinge, die wir täglich wiederholen, wie ein Wort an das nächste reihen oder die richtigen Knöpfe auf dem Gamepad drücken.
Es ist auch der Grund, warum ich übersehen habe, dass eine psychologische Perspektive nicht für alle sofort verständlich ist. Tatsächlich ist die Psychologie ein viel weiteres Feld als Vielen womöglich bewusst ist.
Es ist eine große Frage, der die Psychologie nachgeht: Was ist die Logik der Psyche? Anders ausgedrückt, wie funktioniert der Geist? Um das Metaphysische etwas greifbarer zu machen, finden wir in psychologischer Fachliteratur (und bei Wikipedia) eine brauchbare Definition. Dort heißt es, Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten.
Die Psychologie ist eine erfahrungsbasierte Wissenschaft. Sie beschreibt und erklärt menschliches Erleben und Verhalten, deren Entwicklung im Laufe des Lebens sowie alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen oder Bedingungen.
Eine Psychologische Perspektive
Fangen wir von hinten an: beim Verhalten. Damit meinen wir alle Handlungen, die wir bei anderen (und uns) beobachten können. Morgens aufwachen, Kaffee trinken, den ganzen Tag im Bett liegen und zocken – das ist alles Verhalten. Auch einige physiologische Reaktionen werden dazu gezählt, wie beispielsweise unser Herzschlag, Puls oder verschwitze Hände nach einem aufregenden Online-Match. Gelegentlich fällt sogar Denken unter Verhalten, aber da sind die Grenzen schwierig.
Auf manche Verhaltensweisen sind wir stolz (z. B. wenn wir bei Dark Souls einen Boss besiegen), für andere schämen wir uns vielleicht (z. B. wenn wir den Controller gegen die Wand werfen, weil wir den Boss eben nicht besiegen). Damit kommen wir in den zweiten großen Bereich der Psychologie, dem Erleben. Wir empfinden einen Boss als schwierig, dann werden wir vielleicht wütend. Oder der Umstand motiviert uns, zu üben und besser zu werden. Wir empfinden Freude – und Erleichterung – wenn der Boss endlich liegt. Vielleicht sind wir am Ende traurig, wenn das Spiel vorbei ist.
Da wir Psychologie als Wissenschaft betreiben, begnügen wir uns nicht damit, das menschliche Erleben und Verhalten einfach nur festzustellen. Wir wollen es auch verstehen, erklären und vorhersagen. Warum war uns der Boss zu schwierig? Wann werfen wir den Controller in die Ecke, wann bleiben wir am Ball? Unter welchen Bedingungen sind wir in der Lage, uns im Spiel zu verbessern? Warum haben einige Menschen Spaß an schwierigen Spielen und andere nicht? Wie kommt es überhaupt, dass wir spielen? All das (und viele mehr) sind psychologische Fragen. Indem wir das menschliche Erleben und Verhalten in unsere Beobachtungen von Videospielen einbzeiehen, nehmen wir eine psychologische Perspektive ein.
Eine wissenschaftliche Haltung
In der wissenschaftlichen Psychologie beobachtet man gern die menschlichen Reaktionen (in Form von Erleben und Verhalten) auf bestimmte äußere Reize. Wenn Pavlov beispielsweise seinem Hund Futter vorsetzte, konnte er in Reaktion darauf den Speichelfluss des Tieres beobachten. Schließlich variierte er systematisch die Bedingungen der Fütterung und fand heraus, dass selbst das Läuten einer Glocke genügte, damit der Hund zu sabbern begann, wenn das Läuten zuvor mit der Nahrung assoziiert wurde (das heißt dann Konditionierung).
Diese Haltung der systematischen Beobachtung und Variation von Bedingungen ist die wissenschaftliche Methode. Sie lässt sich ebenso auf Menschen und Videospiele anwenden. Zwar können wir die Bedingungen des Spielens selten experimentell beeinflussen, doch wir können jederzeit systematisch beobachten und beschreiben. Was passiert bei Personen, wenn man ihnen ein Spiel vorsetzt? Wie verändert sich das Erleben und Verhalten, wenn wir Elemente des Spiels verändern? Welche Personen lassen es liegen und welche können nicht wieder aufhören, zu spielen? Bei einigen kann man vielleicht sogar Speichelfluss beobachten, wenn man ihnen das richtige Spiel vorsetzt.
Reichhaltige Ressourcen
Dabei müssen wir keinesfalls bei null anfangen. Gewiss, Videospiele sind ein junges Anwendungsgebiet, das in der Psychologie bislang keine große Aufmerksamkeit erhalten hat. Allerdings blicken wir auf mehrere Jahrhunderte der Erforschung des menschlichen Geistes zurück. Damit haben wir bereits einen reichhaltigen Fundus an Erkenntnissen und spannenden Einsichten, auf die wir aufbauen können, wenn wir Videospiele betrachten. Die ein oder andere Theorie lässt sich womöglich auf Gaming-Kontexte übertragen. Wie beispielsweise die Prototypensemantik zur Erklärung, warum es uns so schwer fällt, einen Walking Simulator noch als Spiel zu begreifen (die Antwort gibt es hier).
Zugleich hat auch die Erforschung von Medien eine große Tradition. Film und Fernsehen sind nicht nur im Fokus der Medienwissenschaften, sondern auch unter dem Dach der Medienpsychologie heimisch geworden. Da das Medium noch jung ist, steht die Anwendung dieser Fächer auf Videospiele in großen Teilen noch aus. Sie bieten jedoch einen großen Schatz an Befunden, den wir nur heben müssen.
Ich hoffe, dieser kurze Abriss kann die Floskel der psychologischen Perspektive etwas aufschlüsseln und bietet einen besseren Einblick in die Idee hinter Behind the Screens. Hinterlasst uns gern einen Kommentar unter dem Beitrag, wenn ihr Fragen habt.